Angst beim Hund (und der Einfluss auf die Partnersuche 😉 )
Am Montag war Halloween und einige Verkleidungen jagen nicht nur Menschen sondern auch Vierbeinern einen ordentlichen Schrecken ein.
Weil wir dem Thema Angst beim Hund etwas mehr auf den Grund gehen wollten, haben wir diesmal Mag. Alexandra Wischall-Wagner von „Freud und Hund“ interviewt und sie hat uns interessante Einblicke gewährt und „die Angst genommen“
Ach du Schreck – Angst beim Hund
Liebe Alexandra, erst vor Kurzem war wieder Halloween, also die Zeit des Jahres wo Menschen in seltsamen, oft gruseligen, Verkleidungen herumlaufen. Ich frage mich dann immer, erkennen Hunde uns in der Verkleidung trotzdem?
Hunde sind wahre Meister im Erkennen. Neueste Forschungen haben ergeben, dass Hunde sieben Mal schlechter sehen als wir Menschen. Trotzdem können sie ihren Menschen auch auf rein visueller Basis erkennen, ja sogar nur mittels gezeigtem Foto. Sie brauchen dafür gar keinen Geruch, keine Bewegung oder Stimme ihres Frauerls oder Herrls.
Als Jack noch nicht so alt war, habe ich mir einmal eine Schachtel über den Kopf gestülpt und er hat furchtbar begonnen zu bellen. Denkst du er hat mich nicht erkannt?
Hunde haben eine außergewöhnlich gute Nase und erkennen „ihre“ Menschen schon alleine aufgrund des Geruches. Wer in einer Gruppe mit rudelähnlichem Charakter lebt (ein „Rudel“ ist nämlich immer auch genetisch verwandt) erkennt sich also in jeder Situation wieder, vorausgesetzt er ist anatomisch gesund. Ich glaube also nicht, dass Jack Dich in diesem Fall nicht erkannt hat. Ich denke also, es war für ihn einfach unheimlich dass sein Mensch plötzlich etwas über den Kopf gezogen hatte – er hat sich also gefürchtet und deshalb gebellt.
Angst ist gleich für Hund und Mensch?
Man sagt Menschen mit Ängsten sollen sich diesen stellen, ist das etwas was man beim Hund auch tun kann/soll?
Beim Menschen haben wir den Vorteil, dass wir ihm rational erklären können dass es für ihn gut ist, sich den Ängsten zu stellen. In der sogenannten Konfrontationstherapie geht der Therapeut also so weit, wie es für den Menschen gerade noch erträglich ist. Natürlich sind wir hier auf das Feedback des Klienten angewiesen. Beim Hund haben wir diese Möglichkeit nur Bedingt (durch dessen Stresssignale).
„Ein Hund denkt nicht über den Sinn eine Therapie nach“
Ein sogenanntes „Flooding“, also eine Überflutung mit angstauslösenden Reizen ist beim Hund unbedingt zu vermeiden. Der Hund lebt im Hier und Jetzt, denkt nicht über den Sinn dieser Therapie nach. Die Verknüpfung „Wenn ich das jetzt aushalte, dann wird es mir in Zukunft besser gehen“ fehlt ihm. Was aber bei dieser Methode passiert ist, dass der Hund massive Angst erlebt und sich selbst als hilflos erlebt. Besser ist es in jedem Fall, Angstauslöser winzig dosiert und langsam steigernd zu bieten und dem Hund Handlungskompetenzen und Entspannungsstrategien anzutrainieren. Der Hund sollte dabei immer die Möglichkeit bekommen, seinen individuellen Abstand einhalten zu dürfen. Zeigt er bereits Stresssignale wie Hecheln, Bellen, Haare aufstellen usw. wären wir im Training schon entschieden zu weit gegangen. Der ideale Abstand um angstfrei zu lernen ist, wenn noch kein Stress erlebt wird.
Wie entsteht Angst beim Hund?
Angst beim Hund entsteht genauso wie Angst beim Menschen. Es gibt genetische Dispositionen für Ängstlichkeit, Faktoren wie mangelnde Sozialisierung, Schmerz / Krankheit, traumatische Erfahrungen oder Misshandlung wirken hier noch verstärkend. Angst ist in erster Linie die Sorge, dass etwas Schlimmes passieren könnte während sich die Furcht auf einen bestimmten Gegenstand oder Menschen richtet. Soll heißen, bei der Furcht ist tatsächlich ein Auslöser vorhanden (wie z.B. oben erwähntes Sackerl über dem menschlichen Kopf) während die Angst ein ungerichtetes Gefühl ist. Phobien wiederum sind starke Angstreaktionen die aber in keinem logischem Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung stehen (z.B. Angst vor Gewitter).
Wie äußert sich Angst beim Hund?
Hunde drücken Furcht und Angst durch Laute und ihre Körpersprache aus. Im Ausdruck sind unsere Hunde alle unterschiedlich. Während ein Tier seine Unsicherheit durch geweitete Pupillen, Zittern oder Gähnen zeigt, beginnt die Reaktion bei einem anderen vielleicht mit Schweißpfoten, sich schütteln oder einem Winseln. Extreme Anzeichen wären die Entleerung des Darmes oder der Blase, starke Speichelproduktion oder auch Erbrechen.
Ein panischer ängstlicher Mensch kann ein unangenehmer Zeitgenosse/-in sein, aber ein ängstlicher Hund kann gefährlich sein? Wieso ist das so?
Ich wage zu behaupten, dass auch ängstliche Menschen gefährlich werden können. Kritisch wird es dann, wenn auf Stressanzeichen eines Individuums nicht (oder falsch) reagiert wird. Wir ein deutliches „Nein“ eines Menschen immer ignoriert oder einem Hund das Jaulen oder Knurren verboten, wird er irgendwann Strategien entwickeln, die den Stressor wirksam auf Abstand halten. Beim Menschen ist dies dann vielleicht der Gebrauch von Waffen, beim Hund vielleicht das Zubeißen. Aus diesem Grund ist es so wichtig, Warnsignale ernst zu nehmen und dem Individuum mit Respekt und Einfühlungsvermögen zu begegnen.
Partnersuche mit einem ängstlichen Hund?
Jetzt zum Thema Partnersuche. Ich bekomme immer wieder Anfragen von Leuten die mir sagen, dass sie einen ängstlichen Hund haben und sich deshalb nicht trauen einen neue/n Partner/in kennenzulernen. Was kann ich machen, wenn ich einen Partner mit Hund habe und die beiden Hunde sich nicht gut verstehen, wenn oder weil einer ängstlich ist?
Bei der Therapie von Ängstlichkeit ist sind in erster Linie ein sicheres häusliches Umfeld, souveräne Führung des Menschen und für den Hund angenehme Entspannungstechniken wichtig. In diesem Fall sollte der Grund für die Ängstlichkeit herausgefunden werden. Ist der Hund unsicher im Umgang mit dem Partner? Welche Gründe könnte es dafür geben? Hat der Hund Probleme im Zusammenleben mit dem anderen Hund? Wichtig ist, dass beide Partner gewillt sind, dem ängstlichen Hund zu helfen. Gibt es hier Missverständnisse im Umgang mit dem tierischen Freund, wird dies bald auch zur Belastung für das Paar werden.
Angst mit alternativen Ansätzen bekämpfen
Das Dog Food Lab hat vor kurzem auch ein Seminar zum Thema „Ach Du Schreck – natürliche Unterstützung für ängstliche Hunde“ veranstaltet. Teilnehmer/-innen konnten dort die unterschiedlichsten Möglichkeiten aus der Natur kennenlernen, die ihrem Vierbeiner helfen können. Was hältst du von solchen Ansätzen?
Ich bin alternativen Ansätzen gegenüber sehr positiv eingestellt. Ob Kräuter, Heilsteine, Farben oder anderem – die Natur hatte schon immer vieles an Heilquellen zu bieten. Ich selbst habe bei Hunden auch sehr gute Erfahrungen mit sanften Massagen, Musik oder beruhigenden (gering dosierten) Düften gemacht.
Was ist dein bester Rat an Hundehalter/-innen mit ängstlichen Hunden?
Es ist in unserer Verantwortung, bereits auf die kleinsten Angstanzeichen unserer Tiere zu reagieren. Wirken die Augen zum Beispiel leicht schlitzförmig, das Maul geschlossen und die Lefzen zurückgezogen, besteht Handlungsbedarf. Reagieren Sie auf einen ängstlichen Hund immer mit Gelassenheit und ruhigem Auftreten und belohnen Sie ihn, sobald er sich beruhigt und entspannt, nicht aber, wenn er sich gerade in der negativen Emotion befindet.
Und was soll man unbedingt meiden?
Unbedingt zu meiden sind Trainingsansätze, die den Hund noch weiter belasten. Bestrafen Sie Ihr Tier für seine Angst lernt er nur noch zusätzlich, dass er sich auch vor seinem Besitzer fürchten sollte. Setzen Sie ihn immer wieder unangenehmen Situationen aus ist für den Hund vor allem eines klar: „Meinem Frauerl oder Herrl kann ich nicht vertrauen“. In erster Linie ist es wichtig, ängstliche Hunde medizinisch durchchecken zu lassen. Häufig verbirgt sich hinter den Symptomen auch eine somatische Erkrankung wie etwa eine Schilddrüsenproblematik. Oft sind nervöse Hunde auch mit den Anforderungen des Alltags überfordert. Mehr Ruhe und Schlaf kann da schon wahre Wunder wirken. Ein weiteres Zauberwort ist die sogenannte „Stimmungsübertragung“. Manche HundehalterInnen sind sich ihrer eigenen Ängstlichkeit oft nicht bewusst. Diese kann sich aber auch auf den Hund übertragen. Hier hilft es auch, dem Menschen mit fachkundiger Beratung zur Seite zu stehen.
Im Training ist es unabdingbar, den Angstauslöser von Hund (und Mensch) zu identifizieren. Diesem wird sich dann in kleinen Schritten und unter Anleitung eines Trainers mit Fachausbildung genähert. Bitte halten Sie von Schnelllösungen unbedingt Abstand. Trainer, die versprechen, Verhaltensprobleme in einer Sitzung lösen zu können sollten unbedingt gemieden werden. Nur wenn hier sensitiv Desensibilisiert wird kann auch ein nachhaltiger Erfolg garantiert werden!
Freud und Hund
Das Team von Freud und Hund bietet Ihnen ganzheitlich orientiertes Training in Wien und Niederösterreich. Unsere Hundetrainer sind stets bemüht, gefühlvoll und nach neuesten, gewaltfreien Methoden für Sie und Ihren Hund da zu sein. Mag. Alexandra Wischall-Wagner hat Psychologie an der Universität Wien studiert, ist ausgebildete Hundeverhaltenstrainerin, und ist selbst Halterin von drei wundervollen Hunden.